Nitrifikation

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Der Stickstoffumbau im Aquarium
von Patriz Hilsenbeck



Die Selbstreinigungskraft des Wassers beruht darauf, dass alle organischen Stoffe mineralisiert werden.

So geschieht es auch in unseren Aquarien. Der, für unsere aquaristische Praxis wichtigste Stoffumbau, erfolgt bei der bakteriellen Nitrifikation. Die Nitrifikation ist die aerobe Umwandlung von Ammonium über Nitrit, hin zum rel. ungefährlichen Nitrat.

Die wesentlichen Stickstoffquellen in unseren Aquarien sind schnell beschrieben:

  1. Futtereintrag ins Aquarium

  2. Fischausscheidungen 
    (die Fische scheiden über die Kiemen Ammoniak aus, 
    nur ca. 5% wird als Harnstoff abgegeben)

  3. Verrottende Pflanzenteile

  4. Tierlaichen

Da die Zwischenstufen (Metaboliten) der Nitrifikation unter Umständen fischtoxisch sind, ist es für die aquaristische Praxis extrem wichtig, die Nitrifikation auf ihre Wirkungsweise zu untersuchen. Hierfür werden vom Fachhandel entsprechende Tropfreagenzien angeboten, die zwar aus der Sicht eines Laboranten relativ ungenau sind, aber für den aquaristischen Alltag vollkommen genügen.

Was passiert im Einzelnen?

Die Eiweißstoffe werden durch verschiedene Enzyme und Bakterien zu Ammoniak (NH3) bzw. Ammonium (NH4) umgewandelt. Ob Ammoniak oder Ammonium vorliegt, ist abhängig vom pH-Wert und der Temperatur des Wassers. Bei pH-Werten im saurem Milieu (< 7,0) liegt fast ausnahmslos das ungefährliche Ammonium vor. 
Steigt der pH-Wert über die neutrale Marke, dissoziiert das Ammonium zu Ammoniak, das schon in rel. geringer Konzentration für Fische giftig ist. Auf die Toleranzgrenzen der giftige Metaboliten der Nitrifikation gehe ich weiter unten noch ein.

Bei den Tropfreagenzien wird immer der Gesamtgehalt an Ammoniak und Ammonium angezeigt. Mit unten stehender Tabelle kann man entsprechend dem pH-Wert die Ammoniakkonzentration in mg/l ablesen.

NH3/NH4
Gesamtgehalt
[mg/l]

Ammoniakanteil in Abhängigkeit
zum pH-Wert (28°C)

  6,00 6,25 6,50 6,75 7,00 7,25 7,50 7,75 8,00
0,20 0,0002 0,0003 0,0005 0,0009 0,0016 0,0028 0,0049 0,0086 0,0148
0,40 0,0003 0,0006 0,0010 0,0018 0,0032 0,0056 0,0099 0,0172 0,0296
0,60 0,0005 0,0009 0,0015 0,0027 0,0048 0,0084 0,0148 0,0258 0,0444
0,80 0,0006 0,0011 0,0020 0,0036 0,0064 0,0112 0,0198 0,0345 0,0592
1,00 0,0008 0,0014 0,0025 0,0045 0,0080 0,0141 0,0247 0,0431 0,0740
1,25 0,0010 0,0018 0,0032 0,0056 0,0099 0,0176 0,0309 0,0538 0,0925
1,50 0,0012 0,0021 0,0038 0,0067 0,0119 0,0211 0,0371 0,0646 0,1110
1,75 0,0014 0,0025 0,0044 0,0079 0,0139 0,0246 0,0433 0,0754 0,1295
2,00 0,0016 0,0029 0,0051 0,0090 0,0159 0,0281 0,0494 0,0862 0,1480
3,00 0,0024 0,0043 0,0076 0,0135 0,0239 0,0422 0,0742 0,1292 0,2219
4,00 0,0032 0,0057 0,0101 0,0180 0,0318 0,0562 0,0989 0,1723 0,2959
5,00 0,0040 0,0071 0,0127 0,0225 0,0398 0,0703 0,1236 0,2154 0,3699
6,00 0,0048 0,0086 0,0152 0,0270 0,0478 0,0844 0,1483 0,2585 0,4439
7,00 0,0056 0,0100 0,0177 0,0314 0,0557 0,0984 0,1730 0,3015 0,5178
8,00 0,0064 0,0114 0,0203 0,0359 0,0637 0,1125 0,1977 0,3446 0,5918
9,00 0,0072 0,0128 0,0228 0,0404 0,0716 0,1265 0,2225 0,3877 0,6658
10,00 0,0080 0,0143 0,0253 0,0449 0,0796 0,1406 0,2472 0,4308 0,7398

Bei längerfristigen Ammoniakkonzentrationen ab 0,02 mg/l, geht man von einer Schädigung bei Fischen aus (ab 0,005 mg/l bei der Fischbrut, nach Warg 1987) . Konzentrationen ab 0,2 mg/l Ammoniak gelten für die Fischbrut als letale Dosis. Forellen vertragen eine maximale Konzentration von 0,6 mg/l.

Eine Studie über die Richt- und Grenzwerte von Ammonium/Ammoniak-Konzentrationen in Fischgewässern, die 1990 vom Umweltbundesamt in Auftrag gegeben wurde, kam zu folgenden Empfehlungen für Cyprinidengewässern (Cypriniden=Karpfenartige). Der Grenzwert von Ammonium sollte 0,4 mg/l und Ammoniak 0,025 mg/l nicht übersteigen. 

Da gerade in Diskusaquarien ein leicht saures Milieu angestrebt wird, spielt die Toxizität von Ammoniak in der Diskushaltung kaum eine Rolle.

Ammonium/Ammoniak wird durch Bakterien (z.B. Nitrosomonas spp.) zu dem Blutgift Nitrit oxydiert. Bei diesem biochemischen Vorgang entsteht salpetrige Säure (HNO2).

Im nächsten Schritt wird das Nitrit durch Bakterien (Nitrobacter spp.) zum ungiftigen Nitrat (NO3) oxydiert. Hierbei entsteht die rel. starke Säure Salpetersäure (HNO3).

Die Nitrifikation läuft, wie beschrieben, also nach folgendem Schema ab:

Ammonium/Ammoniak --> Nitrit --> Nitrat

Wie in den beiden letzten Absätzen beschrieben, entstehen bei der Nitrifikation Säuren, die in ungepufferten Wasser zu pH-Wert-Verschiebungen in Richtung saurem Milieu führen. Bei extrem karbonatarmen (<1°dKH) Wässern, wie sie z.B. bei der Diskuszucht verwendet werden, kann es alleine durch die Aktivität der Filterbakterien zu pH-Wert-Absenkungen in Bereiche von unter 4 kommen.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, nach der Effizienz der bakteriellen Nitrifikation im sauren Milieu. 

Unter Laborbedingungen stellen die Ammoniakoxidierer bei pH-Werten unter 6 ihre Arbeit ein. Bei Realbedingungen, zeigt sich dieser Effekt nicht, da in gewissen Grenzen der die Bakterien umgebenden Biofilm dies abpuffert. Bei pH-Werten unter 4,1 scheint allerdings die bakterielle Nitrifikation gänzlich zum Erliegen zu kommen. In der Konsequenz für die aquaristische Praxis bedeutet dies u.a., dass möglicht konstante Wasserwerte in Bezug auf pH-Wert und Temperatur eingehalten werden sollte, da die nitrifizierenden Bakterien ebenfalls sehr labil auf veränderte Umweltbedingungen reagieren und dann vorübergehend ihren Dienst einstellen oder absterben.

Die kritischste Phase für Fische im Aquarium ist die Neueinrichtung oder eine Grundreinigung des Filters.
Zum Einem, weil sich die nitrifizierenden Bakterien nur sehr langsam ansiedeln, bzw. vermehren, zum Anderem, weil die nitrifizierenden Bakterien sehr empfindlich auf Änderungen der Umgebungsparameter reagieren.

Bei einer kompletten Neueinrichtung eines Aquariums, entwickeln sich zu erst die Bakterien (Nitrosomonas spp.) die das Ammonium zum Nitrit oxydieren. Dies geschieht relativ schnell und kann mit handelsüblichen Messreagenzien sehr gut nachvollzogen werden. Dabei steigt der Ammonium/Ammoniakwert kontinuierlich an, um dann nach einer kurzen Stabilisierungsphase nach dem 3-4 Tag allmählich rückläufig zu sein.

Ist der Rückgang an Ammoniak/Ammonium feststellbar, haben die ammoniakoxydierenden Bakterien ihre Arbeit begonnen und produzieren Nitrit.

Jetzt beginnt die kritische Phase!

Das Nitrit akkumuliert sich und kann ab ca. 1,0 mg/l, einen für unsere Aquarienfische kritische Schwelle erreichen. Über die Toxizität von Nitrit (physiologische Zusammenhänge und den Einfluss von Chlorid bei der Toxizität von Nitrit) gibt es im Internet einen sehr guten Artikel von Lars Dettmann (http://www.deters-ing.de/Gastbeitraege/nitrit.htm).

In dieser Phase ist es wichtig sehr sparsam zu füttern, den Besatz nicht zu schnell vorzunehmen und gegebenenfalls mit großzügigen Wasserwechsel den Nitritwert zu senken.

Die Bakterien (Nitrobacter spp.) die das Nitrit zu Nitrat oxydieren benötigen ca. 14 Tage, um eine solche Populationsdichte zu erreichen, dass das Nitrit spürbar abgebaut wird.

In etwa ab dem 10. Tag hat das Nitrit (sofern nicht durch Wasserwechsel die Nitritkonzentration verdünnt wurde) seine maximale Konzentration erreicht. Man spricht dann von dem sog. Nitritpeak.

Von diesem Zeitpunkt ab sollten die Nitrit oxydierenden Bakterien eine solche Population erreicht haben, dass Nitrat im Wasser nachweisbar ist.

Ist dies der Fall, wurde die kritische Phase beim Einfahren eines Aquariums überschritten und zukünftig sollte weder Ammonium noch Nitrit nachweisbar sein. Wird bei Routinemessungen des Aquarienwassers (am besten 60 Min. nach einer Fütterung) eine Konzentration über 0,1 mg/l dieser beiden Stoffe gemessen, stimmt entweder die Dimensionierung des Filters nicht oder die Bakterienpopulation ist gestört.